In der modernen Medizin besteht schon seit längerem Interesse am therapeutischen Potential von Weihrauch. Dem indischen Baumharz werden viele gesundheitsfördernde Eigenschaften zugeschrieben. Besonders die sogenannten Boswelliasäuren besitzen entzündungshemmende und antioxidative Eigenschaften. Ein großes Problem besteht jedoch darin, dass Boswelliasäuren eine sehr geringe Bioverfügbarkeit haben. Das bedeutet, dass sie kaum im Körper aufgenommen werden und bloß für kurze Zeit im Blut verbleiben. Dadurch hilft die Einnahme von nativem Weihrauch nur bedingt bei Erkrankungen. Um diesem Problem entgegenzuwirken, wurden verschiedene Darreichungsformen zur Steigerung der Bioverfügbarkeit entwickelt. Die vielversprechendste ist dabei der sogenannte mizellare Weihrauch.
Was ist eine Mizelle?
Mizellen sind sogenannte amphiphile Moleküle, die sich ab einer bestimmten Konzentration im Wasser zusammenlagern. Amphiphile Moleküle sind Teilchen, die einen wasserlöslichen und einen wasserunlöslichen Teil besitzen. Bei Mizellen, die sich in Wasser bilden, sitzt der wasserlösliche Part auf der Außenseite der kugelförmigen Mizelle. Die unlöslichen Schwänze der Moleküle befinden sich hingegen an der Innenseite.
Mizellen sind sehr kleine Moleküle. Ihre Größe liegt typischerweise im Bereich von einigen Nanometern.[1] Besonders bei der Verdauung spielen Mizellen für den Körper eine kritische Rolle: Um vom Körper aufgenommen zu werden, muss ein Stoff wasserlöslich sein. Andernfalls gelangt er nicht durch die Darmwand. Über die Nahrung werden Fette meist als Triglyceride aufgenommen. Ein Triglycerid besteht immer aus drei Fettsäuren und einem Glycerinanteil. Im Dünndarm schließen sich Triglyceride mit Gallensäure zu Mizellen zusammen. Da die Gallensäure gut wasserlöslich ist, entstehen so amphiphile Mizellen. Diese können durch die Membran der Darmzellen diffundieren. Im Inneren der Zellen werden die Triglyceride wieder freigegeben. Durch die Darmlymphe gelangen die Fette in den Blutkreislauf und weiter in die verschiedenen Organe.[2]
Auch in der Pharmakologie sind Mizellen von großem Interesse. Sie ermöglichen es, die Wirkung von wasserunlöslichen Stoffen zu erhöhen. Mizellen sorgen für einen minimalen Abbau des Wirkstoffes, verhindern schädliche Nebenwirkungen und erhöhen die Wirkstoffkonzentration im Körper.[3]
Steigerung der Bioverfügbarkeit mit Mizell-Weihrauch
Um von den gesundheitsfördernden Fähigkeiten der Boswelliasäuren zu profitieren, ist es wichtig, ihre Bioverfügbarkeit zu erhöhen. Die extrem fettlöslichen Boswelliasäuren gelangen in nativer Form kaum ins Blut. Dadurch wird ihr therapeutisches Potential enorm limitiert.[4] Die Folge ist, dass in vielen Präparaten sehr hohe Dosierungen von Weihrauch-Extrakt notwendig sind.
Doch wie kalkuliert man überhaupt die Bioverfügbarkeit? Dazu werden meist nach Gabe von mehreren zu vergleichenden Präparaten mit gleicher Dosis Blutproben im Zeitverlauf genommen. Anhand der Blutproben wird dann die sogenannte AUC berechnet. Dazu wird die Konzentration im Blut zu verschiedenen Zeitpunkten gemessen und grafisch aufgetragen. Die Fläche unter der entstehenden Kurve (Area under curve) zeigt, wie viel und zu welcher Zeit der Stoff im Blut ankommt. Auch der Zeitpunkt der maximalen Wirkstoffkonzentration (Cmax) zu welcher Zeit (tmax) wird bestimmt. Eine hohe AUC bedeutet also, dass der Stoff zu großen Mengen und für eine lange Zeit im Körper wirkt.[5]
Auf eben diese Weise wurde auch mizellarer Weihrauch untersucht. Dazu verabreichte man die exakt gleiche Menge an Boswellia-Extrakt, einmal in nativer Form und einmal in Mizellen “verpackt”. Das Ergebnis war eindeutig: Dank der verbesserten Löslichkeit der Boswelliasäuren in mizellarer Form wurde die Bioverfügbarkeit um den Faktor 54 gesteigert! Das macht Mizell-Weihrauch zur aktuell potentesten Darreichungsform von Boswelliasäuren.[6]
Langzeitspiegel durch Mizell-Weihrauch?
Boswelliasäuren wirken am besten, wenn sie über einen längeren Zeitraum regelmäßig eingenommen werden. Da unbehandelte Boswelliasäuren nur schwer vom Körper aufgenommen werden, baut sich hier jedoch kein konstanter Spiegel im Blut auf.
Ein ähnliches Problem hatte man auch bei Curcumin, einer ebenfalls fettlöslichen Substanz aus Kurkuma. Die geringe Bioverfügbarkeit dieses Pflanzenstoffes wurde genau wie bei den Boswelliasäuren mit Hilfe von Mizellen gesteigert.[7]
In einer Studie von Kocher et al. ging man daraufhin noch einen Schritt weiter: 17 Männer und 25 Frauen bekamen dazu über sechs Wochen hinweg täglich 241mg mizellares Curcumin oder ein Placebo zu ihrem Essen. Nach sechs Wochen wurde der morgendliche Curcumin-Spiegel vor der ersten Einnahme gemessen. Da Curcumin schnell abgebaut wird, wäre normales Curcumin hier bereits nicht mehr detektierbar. Bei der mizellaren Form konnte man jedoch noch immer relevante Konzentrationen messen. Das zeigt, dass mizellare Formulierungen bei regelmäßiger Einnahme eine Art Langzeitspiegel bilden.[8]
Diese Erkenntnis unterstreicht auch den Einfluss von Mizell-Weihrauch auf die Bioverfügbarkeit und das therapeutische Potential von Boswelliasäuren. Die Ergebnisse zeigen, dass es bei regelmäßiger Einnahme von Mizell-Weihrauch wahrscheinlich möglich ist, den Körper kontinuierlich mit Boswelliasäuren zu versorgen.
Fazit
Dank der chemischen Eigenschaften von Mizellen, kann man mit ihnen die Bioverfügbarkeit von verschiedenen Stoffen deutlich steigern. Mit ihrer hydrophilen Außenseite gelangen sie gut durch die Membranen von Darmzellen und somit ins Blut. Da Boswelliasäuren stark hydrophobe Moleküle sind, werden sie vom Körper nur in sehr geringen Mengen aufgenommen. Mithilfe von Mizellen ist es möglich, die Bioverfügbarkeit von Boswelliasäuren deutlich zu erhöhen. Dies wurde anhand mehrerer, unabhängiger Studien bewiesen. Wahrscheinlich kann mit Hilfe von mizellarem Weihrauch sogar eine Art Langzeitspiegel im Blut aufgebaut werden. Das beweist, dass eine regelmäßige Einnahme zu einer dauerhaften Wirkung von Boswelliasäuren führt. Damit ist es möglich, bereits mit einer geringen Tagesdosis, den Körper langfristig mit Boswelliasäuren zu versorgen.
Quellen
- Mizellen (chemie.de) (16.2.2023)
- Fettverdauung || Med-koM (medizin-kompakt.de) (19.2.2023)
- Ahmad, Z., Shah, A., Siddiq, M., & Kraatz, H. B. (2014). Polymeric micelles as drug delivery vehicles. In RSC Advances (Vol. 4, Issue 33, pp. 17028–17038). Royal Society of Chemistry. https://doi.org/10.1039/c3ra47370h
- Du, Z., Liu, Z., Ning, Z., Liu, Y., Song, Z., Wang, C., & Lu, A. (2015). Prospects of boswellic acids as potential pharmaceutics. Planta Medica, 81(4), 259–271. https://doi.org/10.1055/s‑0034–1396313
- Was gibt die Bioverfügbarkeit eines Wirkstoffs an? (progenerika.de) (4.2.2023)
- Meins, J., Behnam, D., & Abdel-Tawab, M. (2018). Enhanced absorption of boswellic acids by a micellar solubilized delivery form of Boswellia extract. NFS Journal. https://doi.org/10.1016/j.nfs.2018.04.001
- Schiborr, C., Kocher, A., Behnam, D., Jandasek, J., Toelstede, S., & Frank, J. (2014). The oral bioavailability of curcumin from micronized powder and liquid micelles is significantly increased in healthy humans and differs between sexes. Molecular Nutrition and Food Research, 58(3), 516–527. https://doi.org/10.1002/mnfr.201300724
- Kocher, A., Bohnert, L., Schiborr, C., & Frank, J. (2016). Highly bioavailable micellar Boswelliasäurenoids accumulate in blood, are safe and do not reduce blood lipids and inflammation markers in moderately hyperlipidemic individuals. Molecular Nutrition and Food Research, 60(7), 1555–1563. https://doi.org/10.1002/mnfr.201501034